Die Ausbildung von jungen Menschen wandelt sich

Die Ausbildung von jungen Menschen wandelt sich.

Am 22.4.2016 trafen sich im Haus des Landesverbandes der Bayerischen Bauinnungen in München Mitglieder des Bayerischen Landtags sowie Vertreter aus Wirtschaft, Kirche und Bundesagentur für Arbeit, um darüber zu diskutieren, ob die Assistierte Ausbildung als Instrument zur beruflichen und sozialen Integration benachteiligter junger Menschen funktioniert.

*Nachfrage und Angebot im Ausbildungsmarkt – ein Ungleichgewicht *

Um die grundsätzliche Situation auf dem Arbeitsmarkt zu erläutern, machte Frank Neises vom Bundesinstitut für Berufsbildung das Publikum auf die bestehende Passungsproblematik auf dem Ausbildungsmarkt aufmerksam. Die Zahlen bei den Schulabgängern in den Haupt- und Mittelschulen sind seit Jahren rückläufig. Dem gegenüber stehen offene Ausbildungsangebote (10.737 in Bayern/Std. 30.9.15). Und dennoch gibt es erfolglos Suchende (7.560 in Bayern/ Std. 9/2015) unter den Jugendlichen. Diese werden Opfer der immer stärker zunehmenden Auswahlprozesse und finden keinen Zugang zum Ausbildungsmarkt. Hier setzt die Assistierte Ausbildung an. Die Betriebe und die Auszubildenden werden mit Hilfe dieses Ansatzes vor und während der Ausbildungszeit durch sozialpädagogisches Fachpersonal unterstützt, um z.B. dabei zu helfen, dass der junge Mensch eine Ausbildungsstelle bekommt, die Ausbildungszeit erfolgreich absolviert und den Ausbildungsabschluss erreicht. Die Assistierte Ausbildung ist aktuell ein Instrument, das öffentlich über die Agentur für Arbeit ausgeschrieben und an Bildungsträger vergeben wird. Somit ist das Leistungsangebot standardisiert festgeschrieben, das im Rahmen der Assistierten Ausbildung erbracht werden kann. Gebraucht wird mit Blick auf die Zielgruppe aber etwas anderes.

Der junge Mensch steht im Vordergrund

Ein Vorreiter der Assistierten Ausbildung ist carpo – ein Kooperationsprojekt des Diakonischen Werkes Württemberg e.V., des Paritätischen Baden-Württemberg e.V. und der Werkstatt PARITÄT gemeinnützige GmbH. In dem Modell werden ausgegrenzte Jugendliche angesprochen. Ziel ist es, diesen Teilhabechancen zu geben und sie dann direkt ins duale Ausbil-dungssystem zu vermitteln – mit fachlicher Unterstützung für den Jugendlichen und den Betrieb. Ralf Nuglisch vom Paritätischen in Baden-Württemberg betonte, dass das Modellprojekt nicht dafür gemacht ist, den Fachkräftebedarf einzelner Branchen zu bedienen. Auftrag ist die berufliche und soziale Integration des jungen Menschen. Für diesen müssen individuelle und passgenaue Lösungen angeboten werden. Sein Bedarf ist ausschlaggebend. Das aktuelle Instrument der Agentur für Arbeit bietet hier nach seiner Einschätzung bei Weitem nicht die notwendige Flexibilität.

Passgenaue Hilfen für den jungen Menschen – keine Standardangebote

Die Evangelische Jugendsozialarbeit Bayern (ejsa Bayern e. V.) hat zusammen mit der Evangelischen Landeskirche Bayern das Modellprojekt „Ausbildung hoch 3 – Kompetenzzentrum Assistierte Ausbildung“ ins Leben gerufen, um die Assistierte Ausbildung auch für die sozial benachteiligten Jugendlichen zu einem Erfolgsinstrument zu machen und zu verhindern, dass die schwächeren und individuell beeinträchtigten Jugendlichen wieder einmal aus dem Blick geraten. Der Ansatz „Assistierte Ausbildung“ muss vom sozialen Ausbildungsbetrieb in den Ausbildungsbetrieb der freien Wirtschaft weiterentwickelt werden, so die Forderung. Das Ausbildungspersonal im Betrieb ist vorrangig dafür verantwortlich, dass das Ausbildungsziel erreicht wird und kann bei Bedarf die fachliche Unterstützung für die Betreuung des jungen Menschen in seiner besonderen Lebenslage beim sozialpädagogischen Personal abrufen. Die kontinuierliche Begleitung und eine verlässliche Beziehung im Ausbildungsverlauf ist nach dem Modell Ausbildung hoch drei Kerngeschäft der sozialpädagogischen Fachkräfte. Sie ist zudem ein zentraler Erfolgsfaktor – mit Blick auf die jungen Menschen als auch mit Blick auf die Begleitung des Betriebes.
*Arbeitsmarktintegration und Jugendhilfe, wie das im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten umzusetzen ist, war der Dreh- und Angelpunkt im Expertengespräch. MDL Angelika Weikert SPD forderte, dass „man weg muss von den Ausschreibungsmodulen, um den jungen Men-schen die individuellen und bedarfsgerechten Angebote machen zu können“. * Hier wäre die Jugendhilfe gefragt.

Kirchenrat Reiner Schübel schlug vor, dass sich tatkräftige Kooperationen finden müssen – die Evangelische Landeskirche Bayern z.B. unterstützt seit Jahrzehnten die berufsbezogene Jugendhilfe der ejsa und ist zu Zusammenarbeit zum Wohle der jungen Men-schen in ihrem Wirkungskreis bereit.

Olaf Techmer vom Landesverband Bayerischer Bauinnungen skizzierte, dass der demografische Wandel und die in den 90er Jahren schlecht laufende Bauwirtschaft auch dazu beigetra-gen haben, dass die Betriebe jetzt keine Auszubildenden finden bzw. nicht mehr ausbilden. Die kürzlich geschlossene Kooperation mit der ejsa, ab dem Ausbildungsjahr 2016/17 Betriebe der Bauwirtschaft bei der Ausbildung von Benachteiligten nach dem konzeptionellen Rahmen von Ausbildung hoch drei zu unterstützen, soll den Betrieben und den jungen Menschen helfen.

Es wurde an diesem Tag wieder deutlich, wie schwer es ist, die soziale und berufliche Integration junger Menschen unter den herrschenden Rahmenbedingungen individuell und passgenau zu gestalten. Denn darüber waren sich alle einig: Standardlösungen und –angebote helfen hier weder den jungen Menschen noch den Ausbildungsbetrieben.