Junge Menschen aus dem Jugendmigrationsdienst Regensburg im Gespräch mit der Politik
Das große Holztor in der Glockengasse 1 in Regensburg steht tagsüber immer offen. Im Vierseitgebäude aus dem 14. Jahrhundert befindet sich auf verschiedenen Etagen die Jugendwerkstatt mit Schneiderei, Hauswirtschaft und Büro sowie der dazugehörige Jugendmigrationsdienst (JMD). Wenn man trotz offener Tür am Klingelknopf zieht, läutet laut vernehmlich eine Glocke im Innenhof. Mit heftigem Gebimmel wurde am 29.7.2021 um 18 Uhr das Gespräch von jungen Menschen aus dem JMD mit der Politik eingeläutet. Judith Jünger von der Bundesarbeitsgemeinschaft Evangelische Jugendsozialarbeit (BAG EJSA) begrüßte gemeinsam mit Burkhardt Wagner von der Landesebene und Uwe Jentzsch, dem Leiter der Jugendwerkstatt, die anwesenden Gäste. Im großen Stuhlkreis kamen unter dem sommerlichen Abendhimmel zwei Gruppen zusammen:
Zwei Menschen aus der Landes- und Bundespolitik, „die wir noch nicht so gut kennen und die Hauptpersonen des Abends: Vier junge Menschen, die wir gut kennen, weil wir sie seit Jahren im JMD begleiten“, wie Lukas Meinberg (Leiter JMD Regensburg) treffend formulierte. Gudrun Brendel-Fischer (Bayerische Integrationsbeauftragte, MdL, CSU) und Peter Aumer (MdB, CSU) trafen auf einen ehemaligen JMD-Klienten, einen 24-jährigen Syrer, der in der Jugendwerkstatt seine Ausbildung als Bürokaufmann absolvierte hatte und mittlerweile eine Banklehre macht. Ein junger Mann aus Sierra Leone sowie zwei junge Männer aus Eritrea, die aktuell in der Jugendwerkstatt eine Ausbildung in der Schneiderei und in der Hauswirtschaft machen und die parallel vom JMD begleitet werden, waren ebenfalls gekommen.
In ihren persönlichen Berichten wurden die Schwierigkeiten deutlich, mit denen diese jungen Menschen zu kämpfen haben: Gesundheitliche Probleme (ein Hörsturz nach einem Feueralarm in einem Wohnheim), fehlende Ausweispapiere, der „Kampf mit Behördendeutsch“, schwierige Wohnungssuche, verantwortungsvoller Umgang mit Geld (Nutzung von Online-Banking) und die Fürsorgepflicht für ein fünfjähriges Mädchen als junger verwitweter Vater.
Mit fehlenden Papieren fühlen sich vor allem die jungen Eritreer behandelt „wie ein halber Mensch“. Dass sie von den Mitarbeiter*innen des JMD als ganze Menschen angenommen werden, wurde in dem geschützten Gesprächssetting deutlich: Unterstützt von den Sozialpädagog*innen formulierten die jungen Menschen – anfangs noch mit leiser Stimme – was für sie zur Zeit wichtig ist: Der Erhalt eines Ausweises, ohne eine sogenannte Reueerklärung unterschreiben zu müssen, die verbunden ist mit einer Strafe im Herkunftsland; die Gewissheit auf den Nachzug der Ehefrau des jungen Syrers, der alle Kriterien erfüllt und trotz Rechtsanwalt keine Auskunft von den zuständigen Behörden erhält.
T. aus Eritrea berichtet, dass sein Deutsch viel schlechter ist, wenn er unter Druck steht. Im persönlichen Gespräch mit der Fachkraft Sabina Antonijevic aus dem JMD sei das ganz anders. Und auch A. aus Syrien betont, dass der JMD für ihn wie eine Familie sei. Als ehrenamtlicher Übersetzer hat er wiederum dem JMD unterstützt und damit auf seine Weise etwas „zurückgegeben“.
MdB Peter Aumer und MdL Gudrun Brendel-Fischer hörten aufmerksam zu und stellten immer wieder Rückfragen – auch zu gesetzlichen Rahmenbedingungen.
Burkhardt Wagner, als Landesreferent für die JMD in evangelischer Trägerschaft in Bayern zuständig, wies darauf hin, dass nicht nur die aktuellen Zuzugszahlen für die Ausstattung der JMD relevant seien können: Der Bedarf nach Beratung und Begleitung ist auch noch fünf bis sieben Jahre nach der Ankunft groß; etwa, um in Deutschland Fuß zu fassen und die wichtigen Schritte in ein selbstbestimmtes Leben gehen zu können: Deutschspracherwerb, Schule, Ausbildung, Beruf, Freundeskreis.
Der Vor-Ort-Besuch im JMD Regensburg am 29.07.2021 ist Bestandteil der bundesweiten Aktivitäten zum Aktionstag „Jugendmigrationsdienst (JMD) / Migrationsberatung für Erwachsene (MBE)“, bei denen mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen die Arbeit der Einrichtungen präsentiert wird. Das besondere Gesprächsformat, bei denen die Beteiligung junger Menschen unter dem Motto „Jugendpolitikberatung.Einfach.Machen.“ im Vordergrund steht, gehört gleichzeitig zu einer Reihe von Begegnungen mit Politik, die von der Bundesarbeitsgemeinschaft Evangelische Jugendsozialarbeit (BAG EJSA) im Zusammenhang mit ihrer Kampagne „chancen.fair.teilen – Ausgrenzung verhindern“ zur Bundestagswahl im September 2021 initiiert und begleitet werden.