Wahlprüfstein Kinderarmut – Diakonie Bayern und eaf bayern erneuern Forderung nach einer Kindergrundsicherung

Nürnberg, 06.07.2021 „Ein Fünftel aller Kinder in Deutschland wächst in Armut auf. Das darf niemanden kalt lassen“, sind sich Sabine Lindau, Vorständin der Diakonie Bayern und Diakonie-Vorständin, sowie Vorsitzende der eaf bayern, Sandra Schuhmann, einig. Sie fordern darum von allen Parteien, in ihrem Wahlprogramm die Bekämpfung von Kinderarmut zu einem Schwerpunkt zu machen. „Die Diakonie Bayern sowie die eaf bayern fordern bereits seit Jahren die Einführung einer Kindergrundsicherung. Nun ist der Zeitpunkt gekommen, die Zusammenfassung familienpolitischer Leistungen endlich anzugehen“, betonen die beiden Verbände.

Armut bzw. Armutsgefährdung betrifft, Lindau zufolge, den Alltag von mehr als einem Fünftel aller Kinder in Deutschland – knapp 3 Millionen Kinder und Jugendliche unter 18 Jahre. „Sie leben oft viele Jahre ihrer Kindheit in Armut bzw. sind von Armut bedroht.“ Auch wenn die Zahl der betroffenen Kinder und Jugendlichen im Freistaat mit knapp über sechs Prozent vergleichsweise gering ist, sei diese Zahl für ein reiches Bundesland wie Bayern eindeutig zu hoch, so Lindau.

„Nicht nur unsere Berechnungen zeigen: Die Leistungen für Kinder und Familien in Deutschland und Bayern sind vielfältig, aber zu kleinteilig und bevorzugen zudem teilweise jene, die es nicht nötig haben – während andere nichts davon haben.“ Als Beispiel nannte eaf bayern-Vorsitzende Schuhmann das Kindergeld und den Kinderfreibetrag. Beide Leistungen, so Schuhmann, seien gut gemeint, führten jedoch dazu, dass Familien mit hohem Einkommen besonders davon profitierten, während Familien mit geringem Einkommen keine Vorteile hätten. Das bedeutet, so Schuhmann: „Während bei Familien in der Grundsicherung das Kindergeld mit der Grundsicherungsleistung verrechnet wird und damit keinerlei Wirkung hat, steigt der Steuervorteil gutverdienender Familien aufgrund des Kinderfreibetrages.“

Um diesen Effekt abzumildern und gleichzeitig einen Teil der Kindergrundsicherung zu refinanzieren, könne sich Lindau darum zunächst die Absenkung des Kinderfreibetrages vorstellen. Lindau und Schuhmann stimmen überein: „Ziel muss langfristig eine Kindergrundsicherung sein, die verschiedene familienpolitische Leistungen bündelt und einkommensabhängig gestaffelt ist.“ Hier gebe es bereits unterschiedliche Berechnungsmodelle. Nach den Vorstellungen von Diakonie Bayern und eaf bayern würde sich eine einkommensabhängige, bedarfsgerechte Kindergrundsicherung je nach Einkommen zwischen 330 und knapp 700 Euro pro Kind bewegen und würde ähnlich dem Kindergeld ab Geburt monatlich ausbezahlt werden. Schuhmann: „Die Vorteile liegen auf der Hand: Die familienpolitischen Leistungen werden vereinfacht und effektiver, und zudem entfällt das Stigma ‚Hartz IV‘, unter dem natürlich auch die Kinder leiden.“

Gestärkt sehen sich Diakonie und eaf bayern in ihrer Forderung durch eine Berechnung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsförderung. Dem Handelsblatt zufolge kommt es zu dem Schluss, dass eine Anhebung des Kindergelds zu hohen Mehrbelastungen führt und nach dem Gießkannenprinzip allen Haushalten zugutekommt. Die nächste Bundesregierung solle sich deshalb stattdessen auf ein Modell der Kindergrundsicherung konzentrieren.

Schuhmann und Lindau fordern deshalb die politischen Parteien auf, ihre Wahlprogramme zu überprüfen, welche Rolle die Bekämpfung der Kinderarmut darin spiele. „Einige Parteien sind hier bereits sehr weit und haben sehr konkrete, gute und auch finanzierbare Vorschläge vorgelegt. In den Programmen anderer Parteien spielt dieses Thema noch keine Rolle.“ Dies, so betonen die beiden Vertreterinnen von Diakonie Bayern und eaf bayern, müsse sich dringend ändern, denn, so Lindau: „Corona hat die ohnehin schwierige Situation für Familien mit kleinen Einkommen enorm verschärft und wird noch lange nachwirken. Durch eine chancen- und bedarfsgerechte Kindergrundsicherung können wir die Chancen und Perspektiven für Kinder und Jugendliche in Armutslagen deutlich verbessern.“

 

Die Evangelische Aktionsgemeinschaft für Familienfragen in Bayern e.V. (eaf bayern) ist ein Zusammenschluss von 21 Werken, Diensten, Verbänden und Arbeitsgemeinschaften innerhalb der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, die sich für bedarfsgerechte Lebensbedingungen für Familien und deren Kinder sowie pflegebedürftigen Angehörigen einsetzen. Mehr Informationen finden Sie unter www.eaf-bayern.de.

Das Diakonische Werk Bayern ist der zweigrößte Wohlfahrtsverband im Freistaat. Er vertritt die Interessen von mehr als 1.300 Mitgliedern mit etwa 3.000 Einrichtungen und knapp 97.000 Mitarbeitenden gegenüber Politik, Gesellschaft, Medien, Kostenträgern und Kirche. Mehr zur Diakonie in Bayern finden Sie unter www.diakonie-bayern.de.