München/Nürnberg 29. Januar 2021
Gegen die Wiederaufnahme von Abschiebungsflügen nach Afghanistan haben sich jetzt der Landesbischof der Evangelischen Kirche in Bayern (ELKB), Heinrich Bedford-Strom, und der Präsident der Diakonie Bayern, Michael Bammessel, ausgesprochen. Beide halten es angesichts der Pandemieentwicklung und der allgemeinen Sicherheitslage in dem Land für unverantwortlich, die Abschiebungen nach Afghanistan wieder aufzunehmen. Bereits im Dezember 2020 waren die Flüge – nach mehrmonatiger Aussetzung – wieder aufgenommen worden.
Trotz der Friedensverhandlungen zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban habe die Gewalt in Afghanistan erheblich zugenommen. Dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zufolge kam es in den letzten 100 Tagen allein in Kabul zu mehr als 170 sicherheitsrelevanten Vorfällen mit mehr als 500 Toten und Verletzten. Die New York Times berichtet von mehr als 250 Toten allein im Januar. „Menschen, die in Deutschland Schutz gesucht haben, bewusst einer solchen Gefahr auszusetzen, wiederspricht unseren humanitären Traditionen“, so Landesbischof Bedford-Strohm.
Verschärft werde die Lage durch die Corona-Pandemie: Dem Deutschen Ärzteblatt zufolge hatten sich allein bis Oktober in Afghanistan mehr als 10 Millionen Menschen mit dem Corona-Virus infiziert. Bammessel: „Damit ist fast jeder dritte Einwohner Virusträger – in Kabul beträgt die Infektionsrate sogar fünfzig Prozent.“ Das seit Jahrzehnten von Kriegen und Krisen gebeutelte Land sei mit dieser Situation völlig überfordert.
Landesbischof und Diakoniepräsident betonten, dass sie die Durchsetzung der Ausreisepflicht nach einem negativ abgeschlossenen Asylverfahren nicht grundsätzlich in Frage stellen würden. Bammessel: „Ein Asylsuchender, dessen Asylantrag in einem rechtsstaatlichen Verfahren gewissenhaft geprüft und abgelehnt wurde, muss natürlich grundsätzlich in seine Heimat zurückkehren.“ Die Rückkehr dürfe jedoch nicht mit einer Gefahr für Leib und Leben der Betroffenen verbunden sein. „In der aktuellen Lage ist diese Gefahr jedoch absehbar. Besonders unverständlich ist es zudem, wenn auch gut integrierte Personen abgeschoben werden.“
Landesbischof und Diakoniepräsident verwiesen zusätzlich darauf, dass nach Angaben der UN im Jahr 2021 knapp die Hälfte aller Menschen in Afghanistan als Folge von Covid-19 auf humanitäre Hilfe angewiesen sein werden, und jedes zweite Kind unter fünf Jahren von akuter Unterernährung bedroht sein wird. Bedford-Strohm: „Die Landessynode der ELKB hat sich bereits vor fünf Jahren gegen eine pauschale zwangsweise Rückführung ausgesprochen, da sie diese Abschiebepraxis nicht mit einer humanitären Flüchtlingspolitik für vereinbar hält. Ich kann diesen Appell nur wiederholen: In der aktuellen Situation nach Afghanistan abzuschieben ist unmenschlich.
Seit Dezember 2020 wurden zwei Abschiebflüge durchgeführt; ein weiterer ist dem Bayerischen Flüchtlingsrat zufolge im Februar geplant.