Ganztag, Hort und HPT- Parallele Angebote gemeinsam denken!

Rückblick auf einen Fachtag, der Ausblicke eröffnet

Am 11.11.2017 trafen sich Verantwortliche Akteure aus den Verbänden unter dem Dach von Kirche und Diakonie im CVJM in Nürnberg, um jenseits von Angebotsstrukturen und Verortungen in einen zukunftsfähigen Austausch zu treten. Der Fachtag stieß auf große Resonanz: 105 Teilnehmerinnen und Teilnehmer tauschten  Freizeitaktivitäten eines Samstags gegen Vortrag und Diskussion zu ganztägigen Bildungs- und Betreuungsangeboten. „Dass sich ein Verband in diesen breiten Austausch der Angebotsformen begibt ist bisher einzigartig…“ betonte Michael Rißmann (StMBW). „Wir werden uns der Themen, die der Fachtag aufgeworfen hat weiter annehmen“ Darin waren sich Sandra Schuhmann (Fachvorständin Diakonisches Werk Bayern) und Mathias Tilgner (Pädagogischer Direktor ELKB) einig. Doch hier nun von Anfang an:

In der gemeinsamen Begrüßung von Sandra Schuhmann (Fachvorständin Diakonisches Werk Bayern) und Matthias Tilgner (Pädagogische Direktor  ELKB) stellte S. Schuhmann  die politische Brisanz des Themas angesichts festzustellender Betreuungslücken und einer möglichen gesetzlichen Verankerung eines Betreuungsanspruchs für Grundschulkinder fest. Dass ein Austausch, der über die Bearbeitung des Themas in den eigenen Strukturen hinaus geht im Sinne des innerkirchlichen Prozesses von Profil und Konzentration vorbildlich ist, betonte M. Tilgner.

 

 

 

Wie unterschiedlich die Blickrichtungen der veranstaltenden Verbände und Akteure sind, wurde in den Statements deutlich.

K. Umbach (evangelische Jugendsozialarbeit Bayern e.V – ejsa Bayern.): Insbesondere mit Blick auf die Zielgruppe der benachteiligten Kinder und Jugendliche und dem Trend, dass Kindheit und Jugend zunehmend in instiutionalisierten Angeboten verbracht wird, ist ein qualitativer Ausbau in den schulischen Ganztagsangeboten dringend geboten. Qualitativer Ausbau heißt bedarfsgerechte Räume, flexible Zugänge zu Sport und Angeboten der Jugendarbeit, ausgebildete Fachkräfte, die auskömmlich entlohnt werden können.

ejsa - Statement

G. Tröbs (Religionspädagogisches Zentrum Heilsbronn): Ganztagsschule ist eine große Chance für die Kirche, dort mit den Menschen in Kontakt zu kommen, wo sie viel Zeit verbringen, nämlich in der Schule und entspricht in vielem, was PuK will: Kirche „… organisiert ihre Arbeitsformen und ihren Ressourceneinsatz konsequent auf das Ziel hin, Menschen mit ihren heutigen Lebensfragen einen einfachen Zugang zu dieser Liebe zu eröffnen“

RPZ - Statement

S. Maxzin-Weigl (evangelischer Erziehungsverband Bayern e.V. -eeV): Ein differenzierter Blick auf die tatsächlichen Bedarfe von Kindern und deren Eltern ist unabdingbar, deshalb sind ausdifferenzierte Angebote für Kinder, Jugendliche und deren Familien mit spezifischen Förderbedarfen auch in Zukunft wichtig.

eeV - Statement

M. Roß (Evangelische Schulstiftung Bayern): Ziel ist es, dass evangelische Schulen Bildung in einem ganztägigen Konzept als ganzheitliche Angebote aus einem Guss anbieten können. Dafür ist eine Gleichbehandlung in der finanziellen Förderung Grundvoraussetzung.

ESSBAY - Statement

Ch. Münderlein (Ev KiTa Verband): Es ist davon auszugehen, dass in Zukunft 70% Prozent aller Grundschulkinder ganztägige Bildungs- und Betreuungsangebote wahrnehmen wollen. Horte bieten bzgl. Personalqualifikation, Raumangebot und Öffnungszeiten die höchste Strukturqualität. Beitragsfreie schulische Ganztagsangebote stehen dabei im Kontrast zu beitragspflichtigen Hortangeboten.

evKITA - Statement

 

 

Prof. Wassilos E. Fthenakis stellte die grundlegende, für Bildung handlungsleitende Frage in den Raum: „Auf welche Welt bereiten wir unsere Kinder vor?“ Unsere Welt wird zunehmend von Diskontinuität, Unvorhersehbarkeit, Globalisierung und digitaler Kommunikation geprägt sein – Die Stärkung von Basiskompetenzen als grundlegende Bildungsaufgabe – angefangen bei der frühkindlichen bis hin zur Schulbildung - ist wichtiger denn je. Im Gegensatz dazu beschreibt er Bildung in Deutschland als ein Haus, bei dem jedes Stockwerk einen anderen Architekten hat und Treppen und Zwischenverbindungen fehlen. Zudem ist dieses Haus in unserer Bildungstradition vom Dach – der Hochschulbildung – aus nach unten gebaut. Und das obwohl die Wirksamkeit von Bildungsinvestition in den ersten fünf Jahren die größte Wirksamkeit hat und das Fundament  bilden sollte. Ein radikales down-to-top organisiertes Bildungssystem wäre notwendig, sonst bleiben Neuerungen wie „Ganztag“ Bastelarbeiten und Kinder und Jugendliche erleben beim Übergang in die nächste „Etage“ des Bildungssystems Brüche, da keine gemeinsamen Grundhaltungen vorhanden sind.

Michael Rißmann (StMBW) und Hans-Jürgen Dunkl (StMAS) skizzierten eine „Ganztagsutopie“, in der Jugendhilfe und Schule in enger Verzahnung und mit vergleichbaren Standards agieren..

Bei den zukunftsweisenden Fragestellungen nach der Notwendigkeit einer Angebotsvielfalt, und des Fachkräfteniveaus plädierte M. Rißmann für ehrliche Diskussionen der damit einhergehenden Problemstellungen. Für die Weiterentwicklung sind nach H.-J. Dunkl eine Vereinheitlichung der Finanzierung, Angleichung der Standards, Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Schule, Elternbeiträge und die Personalgewinnung zentrale Leitlinien.

Dr. Halrald Britze stellte die Heilpädagogischen Tagesstäten (HPT) in den Kontext der erzieherischen Hilfen, die einerseits Eltern und ihrer

Erziehungsfähgikeit andererseits die Teilhabe von Kindern und Jugendlichen beinhalten kann.  Schule ist dabei ein wichtiger Kooperationspartner.

Welche Bedarfe haben Eltern, Welche Bedarfe Kinder und Jugendliche? Was sind die Anliegen der Mitarbeitenden und wie drückt sich ein evangelisches Profil in ganztägiger Bildung und Betreuung aus? Diskussionsfragen mit einem Blick „über den Tellerrand“ der Angebotsformen.

Hier die Ergebnisskizzen:

Bedarfe der Kinder und Jugendlichen:

Kinder und Jugendliche brauchen Rückzugsmöglichkeiten, Bewegung, Zeit und Raum für Mittagessen, Struktur und Freiraum sowie verlässliche Beziehungen zu Gleichaltrigen und Erwachsenen. Diese haben individuell und situativ unterschiedliche Gewichtungen. Damit Kinder und Jugendliche ein für sie grundsätzlich passendes Angebot „finden“ können, braucht es unter den Angebotsformen mehr Wissen übereinander sowie eine bessere Vernetzung, Kinder, Jugendliche und ihre Eltern gut beraten zu können, welches Angebot für welches Kind sinnvoll ist.

Bedarfe von Eltern:

Eltern brauchen flexible Angebotsformen - auch in den Ferien. Sie brauchen ein qualitatives, verlässliches, wohnortnahes Ganztagsangebot für Ihre Kinder. Sie brauchen transparente Informationen, um die Angebote vergleichen zu können und dadurch das für sie und ihr Kind passende Angebot zu wählen. Eltern sind wesentlicher Partner in der Entwicklung von regional passgenauen Angeboten. Kosten dürfen kein ausschließlicher Faktor für die Wahl des Angebots sein.

Perspektive der Mitarbeitenden:

Wesentliche Fragen der Mitarbeitenden sind, wofür sie zuständig sind: für welche Kinder mit welchen Bedarfen? Wie ist eine Abgrenzung möglich, vor allem dann, wenn Vorgaben wie Mindest-Gruppengrößen... bestehen. Wie gehen wir mit der Situation um, wenn Kollegen wegen Krankheit, Fortbildung... ausfallen. Es wird festgestellt, dass dies in den Angebotsformen unterschiedlich geregelt werden kann. In tendenziell besser finanzierten Angeboten wie Hort oder HPT sind Vertretungslösungen eher gegeben als in OGS oder Mittagsbetreuung.

Evangelisches Profil.

Evangelisches Profil zeigt sich, wenn Mitarbeitende darüber sprachfähig sind, was ihre Einrichtung als evangelische Einrichtung ausmacht. Zum evangelisch sein gehört, die Vielfalt willkommen zu heißen, den eigenen Standpunkt und Glauben zu bezeugen und Diversity, d.h. Verschiedenheit zu akzeptieren und integrieren. Evangelische Bildung setzt bei dem einzelnen Menschen an und ist Dienstleistung für die Gesellschaft.

 

Die Vortragsfolien finden Sie hier:

Prof. Wassilios E. Fthenakis
Kindheit und Jugend...-entwicklungspsychologische Bedarfe und Sichtweisen im digitalen Zeitalter

Dr. Susanne Gerleigner DJI
Entwicklungen im Ganztag - Impulse aus aktuellen Studien

Michael Rißmann StMBW
Entwicklungen und Rahmenbedingungen der aktuellen Betreuungsformen I "Schulische Ganztagsbetreuung"

Hans-Jürgen Dunkl StMAS
Entwicklung und Rahmenbedingungen der aktuellen Betreuungsformen II "Horte"

Harald Britze LJA
Entwicklung und Rahmenbedingungen der aktuellen Betreuungsformen III "Heilpädagogische Tagesstätten"